Interview: „Eine Kultur des Friedens schaffen“

Pfarrer Dr. Jan Kingreen am Altar in der Nagelkreuzkapelle. Foto: SGP

In einer Woche, am Ostermontag, wird die Nagelkreuzkapelle im Turm der Garnisonkirche Potsdam eröffnet. Pfarrer Dr. Jan Kingreen erklärt das Ritual der Indienstnahme, was das Nagelkreuz bedeutet und welche Veranstaltungen er im Turm der Garnisonkirche plant.

 

Am Ostermontag wird die Nagelkreuzkapelle im Turm der Garnisonkirche in Dienst genommen – als erster Raum im wiederaufgebauten Kirchturm. Wie geht es Ihnen damit als Pfarrer des Ortes?

 

Dr. Jan Kingreen: Ich freue mich sehr! Eine Indienstnahme ist etwas ganz Besonderes, was man als Pfarrer oder Pfarrerin wohl auch nur einmal in der Berufsbiografie erlebt. Wo werden heute schon Kirchen neu gewidmet?

 

Was heißt „Indienstnahme“ eigentlich genau? Gibt es ein besonderes Ritual?

 

Nach evangelischem Verständnis ist nicht der Ort an sich heilig, sondern er wird heilig, wenn wir Gottesdienst darin feiern. Deshalb wird nicht das Gebäude geweiht, sondern die einzelnen Gegenstände, die im Gottesdienst gebraucht werden. Dazu gehören der Altar, die Kanzel, das Taufbecken und auch die Orgel. Sie werden mit einem Wort aus der Bibel in Dienst genommen.

 

Die Kapelle heißt nicht nur Nagelkreuzkapelle. Sie wird auch auf dem Altar das Nagelkreuz tragen, welches der Gemeinde bereits 2004 von Paul Oestreicher verliehen wurde, dem ehemaligen Leiter des Internationalen Versöhnungszentrums der Kathedrale von Coventry. Warum hat ausgerechnet die Garnisonkirche Potsdam, die immer wieder als „Symbol des Militarismus“ bezeichnet wird, ein Nagelkreuz?

 

Darauf antworte ich mit einer Rückfrage: Wo, wenn nicht hier? Das Nagelkreuz ist das weltweite Symbol dafür, dass Versöhnung funktionieren kann, dass auch tiefste Gräben übersprungen werden können. Unser Ziel des Wiederaufbaus ist es ja gerade, einen Erinnerungs-, Kultur- und Diskursort zu schaffen, in dem die deutsche Geschichte kritisch reflektiert wird – stets mit Blick auf Gegenwartsfragen. Dabei wollen wir den Aufgaben der Nagelkreuzgemeinschaft Rechnung tragen: die Wunden der Geschichte heilen, die Vielfalt feiern, eine Kultur des Friedens schaffen.


Sie haben die Pfarrstelle seit 1. März 2023 inne, also seit gut einem Jahr. Was bedeutet es für Sie, künftig in der Kapelle im Turm wirken zu können und nicht mehr in der temporären Kapelle am Baufeld?

 

Auf diesen Moment haben viele Menschen seit Jahren gewartet. Ich sehe bei ihnen nun glänzende Augen und spüre Begeisterung. Das steckt an, und ich freue mich sehr, dass wir nun in den Turm umziehen. Ganz praktisch wird die kirchliche Arbeit auch leichter werden – durch die wunderbare neue Schuke-Orgel, die Flexibilität im Raum und die bessere Sichtbarkeit des Ortes direkt an der Breiten Straße.

 

Welche Pläne haben Sie für die Nagelkreuzkapelle im Turm? Welche religiösen Formate werden dort konkret stattfinden?

Mit den Andachten und Gottesdiensten richten wir uns an Potsdamerinnen und Potsdamer, aber auch an Touristen. Wir sind ein innovativer Ort im barocken Kleid und können neue religiöse Formate erproben. Dazu gehört etwa ein „Segen to go“ am frühen Morgen, der für die Mitarbeitenden in den umliegenden Büros attraktiv ist. Oder Pop-up-Andachten, die sich an Passanten richten und ganz spontan stattfinden können. Im Sommer werden wir sicherlich auch die Aussichtsplattform für kirchliche Angebote nutzen. Ich freue mich auf zahlreiche neugierige Besucherinnen und Besucher. Die Nagelkreuzkapelle steht allen Menschen offen.

 

Interview: Beatrix Fricke