Am 23. Juni jährte sich der Tag der endgültigen Sprengung zum 50. Mal. In der Nagelkreuzkapelle predigte zum Gottesdienst der Kurataoriumsvorsitzende Wolfgang Huber über eine Stelle im Brief des Apostels Paulus an die Galater. Die Sprengung erfolgte zur Gottesdienstzeit im historischen Umfeld des "Prager Frühlings", dessen Freiheitsbestrebungen die Herren der Ostblockdiktatur gewaltsam bremsten. "Ihre Hoffnung auf Freiheit wollten die Menschen auf Prags Straßen nicht aufgeben", errinerte Huber in seiner Predigt - auch wenn die Potsdamer Kirche nicht die einzige war, die man sprengte. "Doch die Hoffnung auf Freiheit hat überlebt, ohne Gewalt. Auf diese Weise schlägt sich ein Bogen vom Prager Frühling zur friedlichen Revolution von 1989. Und zum heutigen Tag. Für uns ist diese Hoffnung zugleich eine Verpflichtung."
Der langjährige Bischof erinnerte zunächst an die jüngste Vergangenheit, indem er Bezug nahm auf die Bauarbeiten: "Als in den letzten Monaten und Wochen 38 Betonpfähle 38 Meter tief in den Boden gelassen wurden, um dem neuen Turm der Garnisonkirche sicheren Halt zu verleihen, mussten die Bohrer zunächst das Fundament von 1730 durchschneiden und sich durch verdichteten Boden einen Weg bahnen." Sogar die Sprengung konnte das jahrhundertealte Fundament des Turmes nicht beseitigen. Nun "gehen im Wiederaufbau das alte und das neue Fundament eine Verbindung ein".
Dabei gehe es nicht nur um Stein oder Beton, sondern um "ein Fundament, das geistige Klarheit, ja die Klarheit des Glaubens verschafft". Dieses Fundament beschreibe der Apostel Paulus so: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!"
Im Umgang mit der Vergangenheit sei Hochmut nicht angezeigt - im Gegenteil: "Wenn die Scham über Untaten, die von unserem Volk ausgegangen sind, aufrichtig sein soll, muss sie sich doch mit der ebenso aufrichtigen Bereitschaft verbinden, unsere eigenen Fehler zu erkennen und sie abzustellen, so gut wir nur können. Solche selbstkritische Bescheidenheit stünde uns gut an. Bei aller Beschämung über die Irrwege der Vergangenheit können wir dann auch bereit sein, nicht nur im Bösen, sondern auch im Guten aus ihr zu lernen."
Im Anschluss an den Gottesdienst sprach Harout Chitilian, Geschäftsführer der Aurora Humanitarian nitiative, die den Wiederaufbau unterstützt. "Der Wiederaufbau entspricht den Werten von Aurora, weil sie ein Ort des Friedens und der Versöhnung und für Bildung ist", sagte Chitilian. Die Aurora Initiative erinnert 100 Jahre danach an die acht Jahres des Völkermordes an den Armeniern 1915-1923, indem sie Projekte und Menschen unterstützt, die sich für Menschlichkeit einsetzen. Treibende KRäfte sind Vartan Gregorian, Noubar Afeyan und Ruben Vardanyan. Im vergangenen Jahr hatten die Initiatoren die Nagelkreuzkapelle besucht und sich über den Wiederaufbau informiert. "Wir sind dankbar für diese Unterstützung", sagte Wieland Eschenburg, Kommunikationsvorstand der Stiftung.