01/15/2014 | „Wir schließen keine Quelle aus“

Zehn Jahre nach dem „Ruf aus Potsdam“ zieht Garnisonkirchenstiftungs-Vorstand Peter Leinemann Bilanz zu dem umstrittenen Wiederaufbauprojekt Herr Leinemann, heute begeht die Garnisonkirchenstiftung

Zehn Jahre nach dem „Ruf aus Potsdam“ zieht Garnisonkirchenstiftungs-Vorstand Peter Leinemann Bilanz zu dem umstrittenen Wiederaufbauprojekt

Herr Leinemann, heute begeht die Garnisonkirchenstiftung das zehnte Jubiläum des „Rufes aus Potsdam“ – Startschuss für den Wiederaufbau. Seit der Grundsteinlegung vor neun Jahren ist nicht viel passiert. Was gibt es für Sie zu feiern?

Wir blicken in zweierlei Weise auf bewegte Jahre zurück: Zum einen bewegt uns eine Diskussion in der Öffentlichkeit und wir freuen uns immer wieder, mit den Potsdamern im Gespräch sein zu können. Wir verstehen auch kritisches Nachfragen als Teil des Projekts. Zum anderen haben wir seit fast drei Jahren mit der temporären Kapelle einen geweihten kirchlichen Ort. Insofern gibt es auch eine Kirche.

Wie steht es um die Bauvorbereitungen?

Auch da sind wir vorangekommen: Mit dem teilweisen Abriss des Rechenzentrums ist Baufreiheit für den Turm hergestellt. Wir haben insgesamt mehr als sechs Millionen Euro ausgegeben – und diese vorher als Spenden gesammelt. Wir haben die Baugenehmigung und die Zusage der Bundesbeauftragten für Kultur, dass der Bund dieses Vorhaben mit einer ausgesprochen schönen Summe fördert.

Trotz des Zwölf-Millionen-Zuschusses vom Bund und den Zuwendungen vieler privater Spender ist das Projekt noch weit davon entfernt, durchfinanziert zu sein. Wie sieht die finanzielle Lage aus?

Sie haben recht, das ist ein anspruchsvolles Vorhaben. 40 Millionen Euro, die wir für den Turm brauchen, sind eine gewaltige Summe, die wir mit Demut und Leidenschaft anschauen. Für uns ist die Zwölf-Millionen-Zusage Anlass, die nächsten Schritte mit diesem Rückenwind zu gehen. Es ist immer einfacher, weitere Spender und Geber zu mobilisieren, wenn schon etwas da ist. Wir sind dankbar über jede Spende – von den fünf Euro im Kollektenkorb bis hin zu Menschen, die uns im letzten Willen mit Erbschaften bedenken. Wir sind da weiter in Gesprächen.

Hoffen Sie auf neue öffentliche Gelder?

Die Stiftung hat immer gesagt, dass ein ganz starkes Gewicht bei Privatpersonen liegt. Wir schließen aber keine Quelle aus. Wenn die Garnisonkirche – wie wir das wünschen – ein Lernort der Geschichte ist, eine Schule, in der das Gewissen geschult werden soll, dann ist es richtig, dass auch die öffentliche Hand diesen Zweck mit Mitteln unterstützt.

Laufen denn konkrete Anträge?

Nein. Aber auch hier gilt, dass wir weiter Gespräche führen und dabei alle denkbaren Institutionen im Blick haben.

Die Baugenehmigung für den Turm liegt seit dem Sommer vor. Gibt es schon einen Termin für den Baustart?

Den Zeitplan werden wir auf unserer Kuratoriumssitzung in der nächsten Woche besprechen. Die Frage muss ich heute noch offen lassen.

Wie realistisch ist die Einweihung des Turmes im Jahr 2017?

Das war immer schon ambitioniert und das bleibt es auch. Es wird davon abhängen, wann wir starten. Man kann so ein Bauvorhaben nicht unendlich beschleunigen. Ich bin der Meinung, dass es gut ist, wenn man ein Ziel vor Augen hat.

Garnisonkirchenpfarrerin Juliane Rumpel hat vor Kurzem das Haus verlassen. Gibt es schon Kandidaten für die Nachfolge?

Ja, es gibt Bewerbungen, das Besetzungsverfahren läuft. Die Entscheidung soll im Februar fallen.

Im ersten Nutzungskonzept aus dem Jahr 2001 war noch die Gründung eines „Internationalen Versöhnungszentrums“ geplant – davon hat sich die Stiftung inzwischen verabschiedet. Welche Rolle spielt der Versöhnungsgedanke heute?

Ich freue mich über die Frage, weil es da oft Missverständnisse gibt. Wir haben mit der Kirche gemeinsam entschieden, dass die Sprachformulierung „Internationales Versöhnungszentrum“ so nicht mehr gebraucht wird – nicht, weil sie inhaltlich schwierig ist, sondern weil sie einen Anspruch erweckt, den wir derzeit nicht erfüllen können. Wir haben keine Dutzenden Mitarbeiter für ein internationales Programm. Die auf Versöhnung ausgerichtete Nagelkreuzbewegung ist uns aber ein ganz besonderes Anliegen.

Um die Zusammenarbeit mit dem Nagelkreuz-Versöhnungszentrum in Coventry gab es zuletzt widersprüchliche Nachrichten. Wie steht es um die Kooperation?

Wir haben uns vor Weihnachten mit Paul Oestreicher vom Versöhnungszentrum Coventry getroffen und konnten ihn mit unserem Veranstaltungskalender für 2013 und 2014 ausgesprochen erfreuen, weil in einzelnen Veranstaltungen genau der Gedanke der Versöhnung, des Friedens und der Feindesliebe im praktischen Leben vorkommt. Ich denke da etwa an den Besuch einer israelischen Jugendgruppe oder die Lesungen anlässlich des Jahrestages der Nazi-Bücherverbrennung. Auch manche Diskussion mit den Projektgegnern in Potsdam hat Anteile von Versöhnungsarbeit.

Der Protest gegen den Wiederaufbau ist mitunter sehr laut. Wie wollen Sie künftig mit den Gegnern umgehen?

Wir wollen das weiter so machen wie bisher: nämlich jedes Gesprächsangebot, bei dem es um ein gegenseitiges Zuhören geht, annehmen. Das haben wir im letzten Jahr auch immer wieder selbst initiiert. Es hat aber auch Ereignisse gegeben, die in keiner Weise für einen Dialog geeignet waren.

Sie spielen auf den Abend vor dem Jahrestag des „Tages von Potsdam“ im März an, als Gegner im Pseudo-Nazi-Aufzug demonstrierten.

Solche Formen von öffentlichen Auftritten bleiben für uns indiskutabel. Sie werden dem Ruf dieser Stadt in keiner Weise gerecht und ärgern mich.

Spielen Sie den Gegnern nicht in die Hände, wenn Sie sich vom Plan, das Nagelkreuz als Versöhnungssymbol auf den Turm zu setzen, verabschieden?

Ich zitiere an dieser Stelle gern Paul Oestreicher: „Schon aus ästhetischen Gründen kann das Nagelkreuz nicht auf die Spitze. Viel wichtiger für den Versöhnungsgedanken ist die inhaltliche Arbeit.“

Dafür gab es im ersten Nutzungskonzept viele konkrete Anregungen: Zum Beispiel sollte das Rechenzentrum-Mosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ als Anknüpfungspunkt für Gottesdienste und Veranstaltungen erhalten bleiben.

Ich sehe das immer noch so. Allein wenn man sich diesen Titel auf der Zunge zergehen lässt, bekommt man eine Reihe von Ideen. Das soll auch bei der Ausstellung im Turm aufgegriffen werden.

Das Mosaik wird dort zu sehen sein?

Das kann ich nicht beantworten. Es soll in jedem Fall eine Rolle spielen, weil es ein authentischer Anknüpfungspunkt zum Ort ist: Da wird 1968 eine Kirche gesprengt, an einem Sonntag, um ein Rechenzentrum aufzubauen mit einem Mosaik, das den Menschen über alles stellt.

Ein anderer Punkt aus dem ersten Konzept ist das Glockenspiel: Das sollte damals um eine neue Melodie ergänzt werden, die mit dem Versöhnungsgedanken verbunden ist. Sind die Pläne noch aktuell?

Hochaktuell. Das Kuratorium wird sich bei der nächsten Sitzung genau mit dieser Frage beschäftigen.

Als eine der ersten Aufgaben wurde 2001 auch die Etablierung eines Jugendaustausches mit Israel und die Zusammenarbeit mit der St.-Johannes-Kirche in Gdansk festgelegt. Was ist daraus geworden?

Da kann noch deutlich mehr passieren. Das ist ein Stück Aufgabenkatalog für die Zukunft.

Es gibt immer wieder Kritik an der Beteiligung der evangelischen Militärseelsorge der Bundeswehr als Mitstifter. Können Sie ausschließen, dass die Garnisonkirche nicht die von den Gegnern befürchtete Militärkirche wird?

Das kann ich eindeutig ausschließen – weil es keine Militärkirchen gibt. Mich ärgert schon der Begriff, denn er zeigt, dass diejenigen, die ihn verwenden, wenig von Kirche verstehen. Die Seelsorge der Bundeswehr passiert an allen möglichen Orten, auch in jeder Kirche in der Bundesrepublik. Wenn das hier in der Garnisonkirche passiert, ist es ein normaler Vorgang. Für die Garnisonkirche ergibt sich aus der Geschichte eine besondere Verantwortung zu dem Thema, wie sich Menschen zu Waffengewalt verhalten. Sie ist in besonderer Weise dazu geeignet, sich mit dem Thema kritisch zu beschäftigen. Ich zitiere auch gern Martin Vogel…

Sie meinen den theologischen Vorstand der Garnisonkirchenstiftung.

Er sagt: „Uns sind schon heute und werden auch zukünftig in der Kirche Bürger in Uniform genauso willkommen sein wie Bürger im T-Shirt.“

Das Gespräch führte Jana Haase

Peter Leinemann ist Verwaltungsvorstand der 2008 gegründeten Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Er war zuvor unter anderem Geschäftsführer des evangelisch-kirchlichen Hilfsvereins. (Potsdamer Neueste Nachrichten, 15.01.2014, von Jana Haase)

Back