04/26/2014 | Widerstand gegen Neubau der Garnisonkirche wächst

Nach dem überraschenden Rückzug einer Millionenspende schöpfen die Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche verstärkt Hoffnung. Nun wollen sie Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln. Die Gefühlslage von Altbischof Wolfgang Huber dürfte

Nach dem überraschenden Rückzug einer Millionenspende schöpfen die Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche verstärkt Hoffnung. Nun wollen sie Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln.

Die Gefühlslage von Altbischof Wolfgang Huber dürfte derzeit recht gemischt sein. Am Freitag erhielt der 71-Jährige an der Universität Stellenbosch in Südafrika die Ehrendoktorwürde für seine Beiträge als Wissenschaftler und Kirchenrepräsentant verliehen. Huber darf sich also über eine weitere hohe Auszeichnung freuen.
Gleichzeitig gerät in Potsdam aber ein Projekt, das ihm sehr am Herzen liegt, immer mehr ins Wanken: Der Widerstand gegen den Wiederaufbau der im Juni 1968 durch die SED gesprengten Garnisonkirche wächst.

Die Gegner melden sich immer mehr zu Wort und sammeln derzeit Unterschriften für ein Volksbegehren. Seit dieser Woche steht auch noch fest, dass die Befürworter definitiv nicht mehr mit den einst vom Chef der “Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel e.V.”, Max Klaar, gesammelten 6,3 Millionen Euro rechnen können. Wie berichtet fehlen ohnehin noch 26 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Kirche.
 
Streit um das Konzept

Der frühere Bundeswehroffizier Klaar hat angekündigt, er wolle die Spendenrücklage auflösen und das Geld anderen Kulturdenkmälern wie der Nikolaikirche in Potsdam oder der Rekonstruktion des Neptunbrunnens zugutekommen lassen. Der gebürtige Spandauer hatte die Millionen für den Wiederaufbau bundesweit gesammelt. Er weigerte sich aber schon, die Spenden für den Baustart herzugeben. Denn Klaar wollte die Kirche im Sinne der Wiederbelebung preußischer Traditionen aufbauen, nicht als Mahnmal, Versöhnungskirche und Lernort, wie es die Stiftung unter Altbischof Huber vorhat.

“Wir haben gar nicht mit dem Geld gerechnet”, sagt der Verwaltungsvorstand der Stiftung, Peter Leinemann und gibt sich nach der definitiven Absage gelassen. “Das Geld war in keinem Finanzierungsplan enthalten, was wir bedauern.” Denn die Auflagen, die vonseiten der “Stiftung Preußisches Kulturerbe” von Klaar daran verknüpft waren, seien nicht erfüllbar gewesen.

“Wir nehmen auf keinen Fall Abstand von unserem Friedens- und Versöhnungskonzept”, sagt Leinemann. “Die Evangelische Kirche, die Stiftung Garnisonkirche und die Fördergesellschaft haben immer betont, dass der Wiederaufbau der Garnisonkirche mit rückwärtsgewandter Zielrichtung nicht infrage kommt.

Akteure hatten insgeheim doch auf die Spende gehofft

Wie Max Klaar erneut bestätigt, lehnt er das auf die Zukunft ausgerichtete Konzept von Kirche, Stiftung Garnisonkirche Potsdam und Fördergesellschaft ab. Durch die Ankündigung ergeben sich laut Leinemann keine Änderungen für die Wiederaufbaupläne. Auch wolle die Potsdamer Stiftung nicht juristisch gegen die Entscheidung vorgehen. “Herr Klaar muss das vor seinen Spendern verantworten, nicht wir.”

Doch auch, wenn man offiziell nicht mit den Spenden geplant hatte – insgeheim dürften die Akteure doch auf das Geld gehofft haben. Denn die Spenden fließen bislang nicht im erwarteten Umfang. Der Wiederaufbau der Kirche wird auf rund 100 Millionen Euro veranschlagt. Für den Turm, mit dessen Bau in diesem Jahr begonnen werden sollte, sind rund 40 Millionen Euro erforderlich.

Die Stiftung hat bislang 6,5 Millionen Euro in die Projektvorbereitung investiert. Die Bundesregierung sichert zwölf Millionen Euro zu. Das Geld fließt aber erst, wenn das Vorhaben finanziell abgesichert ist, wie Altbischof Huber sagt. Er hofft immer noch, “dass die Anerkennung der nationalen Bedeutung des Projekts auch die Spendenbereitschaft stärkt”. Huber muss einräumen, dass der noch für dieses Jahr geplante Baustart derzeit nicht terminiert werden kann. Es gebe Verzögerungen, die seiner Ansicht nach aber aufgeholt werden könnten. Ziel bleibe es, den Turm bis Oktober 2017 aufgebaut zu haben.
 
“Das Projekt Garnisonskirche steht unter keinem guten Stern”

Die Gegner des Projekts schöpfen nach der endgültigen Spendenabsage des früheren Bundeswehroffiziers Klaar nun neue Hoffnung. Der Potsdamer Linke-Chef Sascha Krämer stellt fest: “Das Projekt Garnisonkirche steht unter keinem guten Stern.” Der Kreisverband unterstützt das laufende Bürgerbegehren. Die Initiative “Ein Potsdam ohne Garnisonkirche” will erreichen, dass die Stiftung aufgelöst wird.

Dann würde das von der Stadt kostenlos bereitgestellte Grundstück an der Breiten Straße an die Kommune zurückfallen. Die Gegner sehen in der Kirche ein Symbol des militaristischen Staates Preußen und eine Stätte der Nationalsozialisten. Denn “am Tag von Potsdam”, dem 21. März 1933, war es in der Garnisonkirche zum Handschlag Adolf Hitlers mit Reichspräsident Paul von Hindenburg gekommen.

Die Potsdamer Stiftung für den Wiederaufbau treibt ihre Pläne trotz aller Rückschläge voran. Am 8. Mai kehrt erstmals eine Original-Glocke des einstigen Glockenspiels nach Potsdam zurück. Sie war bislang in Besitz einer ehemaligen Potsdamer Familie, die heute in Heidelberg und Italien lebt. “Die Glocke wird bald in der Ausstellung in der Kapelle an der Breiten Straße zu sehen sein”, sagt die Sprecherin der Stiftung, Friederike Schuppan. Am 10. Mai werde die rekonstruierte, goldverzierte und zehn Meter hohe Wetterfahne wieder aufgestellt. Sie soll später wieder auf dem Turm wehen. Wenn es einen Turm geben wird. (Berliner Morgenpost, 26.04.2014, von Gudrun Mallwitz)

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