Der Neujahrsempfang wurde mit einem gut halbstündigen Programm eröffnet, in dem der Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wurde.
Im Blickwinkel aus Sicht des Kuratoriums, stellte Prälat Dr. Martin Dutzmann, der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, die Bedeutung der Garnisonkirche als ein Gebäude von nationaler Bedeutung, heraus, an dem sich deutsche Geschichte in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit studieren lässt. Er brachte es so auf den Punkt:
„Was kalendarisch der 9. November ist, ist städtebaulich die Garnisonkirche. Am 9. November ist an einem Tag zugleich der Revolution von 1918, der Reichspogromnacht von 1938 und der Maueröffnung von 1989 zu gedenken und die Ereignisse sind zueinander ins Verhältnis zu setzen. Ähnlich wird mit der wieder aufgebauten Garnisonkirche an einem Ort zugleich an den preußischen Militarismus, an den Tag von Potsdam, an den Widerstand gegen Hitler, an das Grauen des Zweiten Weltkrieges und an das Unrecht des SED-Staates zu erinnern sein. Und auch hier wird es um die Zusammenhänge zwischen diesen so unterschiedlichen Ereignissen gehen.“
Sigrid Grabner, Schriftstellerin aus Potsdam, hatte zuvor „Lebendige Steine“ in den Mittelpunkt Ihres Blickwinkels gerückt: „Wir sind die lebendigen Steine des großen unsichtbaren Bauwerks der Geschichte wie es die kleinen und großen Steine der Spender und Sponsoren für den Turm der Garnisonkirche sind. Sie werden den Künftigen von unseren Irrtümern und unserem Versagen, aber auch von unserem Mut und unserer Standhaftigkeit erzählen, wie uns die Ruine der zerstörten Garnisonkirche, die alten Fotos und Filme Größe und Versagen vergangener Zeiten überliefert haben. Wo aber nichts mehr ist, wird auch nichts überliefert. Wir dürfen die Kette nicht abreißen lassen, die uns mit unseren Vorfahren verbindet; von uns hängt es ab, ob unsere Nachkommen in einer geistig und seelisch verarmten Welt leben oder ob sie aus dem Reichtum der Vergangenheit Kraft und Ansporn für ihr Handeln beziehen können.
Jeder Stein dieses Turmes wird ein Bekenntnis zur ganzen Geschichte Potsdams sein, eine Hoffnung auf die Zukunft, ein Wunsch nach Versöhnung und nicht zuletzt nach Schönheit. Diese Steine werden eine Brücke bauen über Gräben, wie es sie in der Vergangenheit gab und immer noch gibt und weiterhin geben wird.“
Einen ganz anderen Blickwinkel haben wir Jörg Hafemeister und Jeff Mertens zu verdanken: In der den Potsdamerinnen und Potsdamern bestens bekannten Bildsprache von Jörg Hafemeister flimmern Hitler und Ulbricht in einer „Ex-Diktatoren-Residenz“ am Biertisch sitzend über die Leinwand und stellen fest, dass sie beide mit dem Wiederaufbauprojekt nichts, aber auch gar nichts zu tun haben wollen. Eine Garnisonkirche ohne Militär, ein Friedenszentrum? Beide sind entsetzt – stehen bleibt der inhaltliche Grundgedanke des Projektes: „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“.
Der Neujahrsempfang wurde in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Literaturbüro Brandenburg durchgeführt, wofür wir herzlich danken.