Was wenige wissen: Zwar verschwand die Potsdamer Garnisonkirche durch die Bombennacht im April 1945 und den Turmabriss auf Geheiß der SED-Führung im Mai und Juni 1968 völlig aus dem Stadtbild. Nicht dagegen verschwunden ist das Archiv der Barockkirche. Vollständig erhalten sind sowohl der Teil der Zivil- als auch der der Militärgemeinde. Die Dokumente der Militärgemeinde lagern heute im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, die der Zivilgemeinde gelangten 1992 in das über 1000-jährige Domstiftsarchiv in Brandenburg (Havel). Dort sind jetzt die 6,5 Meter laufende Akten der Garnisonkirchen-Gemeinde erfasst worden. Unter der Leitung von Chefarchivar Dr. Uwe Czubatynski entstand ein Findbuch über das Garnisonkirchen-Archiv, das mit einer Auflage von 200 Stück nun erschien. In einem Vortrag in der temporären Kapelle, Breite Straße 7, wird Czubatynski am heutigen Mittwoch ab 19 Uhr darüber berichten, wie die Akten der Garnisonkirche für die Forschung erschlossen wurden.
„Es gibt keine Kriegsverluste“, erklärte Czubatynski am Dienstag in seinem Büro in einem Hofgebäude des Brandenburger Doms. Das Archiv der Potsdamer Heiliggeistkirche sei dagegen völlig vernichtet worden. Im Domstiftsarchiv lagern Czubatynski zufolge auch die Archive der anderen Potsdamer Gemeinden – so etwa die vier Meter Akten der Nikolaikirche – sowie die Dokumente aus über 200 Pfarrarchiven im Land Brandenburg. Betreut werden die Bestände durch zwei Mitarbeiter, durch Czubatynski und Konstanze Borowski.
Die Akten der Garnisonkirche sind, preußisch korrekt, „gut geheftet“, sagt Czubatynski. Es handele sich um einen für Forscher bedeutsamen Bestand, da die Kirche stark mit Preußens Staat und Militär verbunden war. Das Archiv umfasst 513 Akteneinheiten aus der Zeitspanne zwischen 1613 und 1986 – vom einzelnen Foto bis zur 400-Seiten-Akte. „Man bräuchte mehrere Jahre, um sich alles durchzulesen“, schätzt der 47-jährige Archivar ein. Zum Bestand gehört nach Czubatynskis Auskunft auch das Unterschriftenbuch vom sogenannten „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933; darin die Unterschriften des gesamten Reichskabinetts inklusive der der späteren Kriegsverbrecher Hitler und Goebbels.
Von geringerer politisch-historischer, wohl aber sehr persönlicher Bedeutung sind dagegen die hinterlassenen Materialien der Stiftung Luisendenkmal. Die Stiftung finanzierte in Gedenken an die Königin Luise (1776-1810) „braven Leuten“ die Hochzeit und stellte die Aussteuer. Noch heute seien die „Luisenbräute“ bekannt, die mit den Geldern der Stiftung eingekleidet wurden. Bisweilen kommen deren Nachfahren noch jetzt in das Domstiftsarchiv und berichten, „meine Großmutter hat 1925 etwas von der Stiftung bekommen“, erzählt Czubatynski.
Sehr frühes Interesse riefen die Bauakten der Garnisonkirche hervor. „Sie waren kaum richtig erschlossen, da waren schon Forscher da, die die Baugeschichte erforschen wollten“, berichtet Czubatynski. Einer der ersten sei der Potsdamer Garnisonkirchen-Experte Andreas Kitschke gewesen. Zuletzt war der Autor Ludwig Bamberg für seine 2006er Publikation „Die Garnisonkirche. Baugeschichte – Ausstattung – Bedeutung“ im Archiv. Der größte Teil des Archivs besteht aus Dokumenten zur Organisation der Gemeinde – Rechnungen, Kirchenein- und -austritte, Verordnungen, Amtshandlungen – der große historische Fund, so Czubatynski, wurde bei der Archivsichtung nicht gemacht. (PNN vom 04.04.2012 auf Seite 10, von Guido Berg)