03/21/2024 | Lebendige Diskussion zum "Tag von Potsdam"

In einer sehr vollen Nagelkreuzkapelle diskutierten Jugendliche am Vorabend des 21. März über den "Tag von Potsdam" und was man aus den Ereignissen von damals für heute lernen kann. Auch das Publikum beteiligte sich rege an der Debatte. Einige Impressionen.

Rückblende Zukunft: Fishbowl-Diskussion

Warum ist der „Tag von Potsdam“ heute noch wichtig? Wissen wir genug über die Geschichte des Nationalsozialismus? Haben wir heute die richtigen Strategien im Umgang mit Populismus, Fake News und Rechtsextremismus? Das große Interesse an diesen Fragen zeigte sich am Andrang in der Nagelkreuzkapelle am Mittwochabend.

Gleich mehrere Schülergruppen folgten der Einladung der Stiftung Garnisonkirche zur Veranstaltung "Rückblende Zukunft: Der Tag von Potsdam aus der Perspektive Jugendlicher". Das Thema zog auch viele ältere Bürgerinnen und Bürger an die Breite Straße. "Ich bin sehr gespannt auf den Blickwinkel der jungen Leute", sagte Barbara Kuster aus dem Publikum.

Zur Einstimmung informierte Ruth Menn darüber, was eigentlich genau am 21. März 1933 in Potsdam passiert ist. Die angehende Geschichtslehrerin, die derzeit bei der Stiftung Garnisonkirche ein Praktikum absolviert, zeigte Fotos des historischen Ereignisses, erläuterte die Hintergründe und bezog auch das Publikum in ihren Vortrag ein. Per Handy ließ sie die Anwesenden abstimmen über die Frage: "Inwiefern ist der Tag von Potsdam heute noch wichtig?". Die Antworten wurden per Beamer an der Wand gezeigt. Zu lesen war unter anderem: "Lernen aus der Geschichte", "Warnung", "Wiederholungsgefahr", "Demokratie schützen".

Das Geschehen von damals aus dem Blickwinkel von heute

In der Bildungsarbeit der Stiftung Garnisonkirche spielt der "Tag von Potsdam" eine wichtige Rolle. Schließlich fand in der Garnisonkirche der Staatsakt statt, mit dem sich die nationalsozialistische Diktatur am 21. März 1933 symbolträchtig etablierte. In Kooperation mit dem Potsdam Museum und dem Filmmuseum Potsdam und mit Förderung durch das Brandenburgische Bildungsministerium werden dazu seit 2023 Projekttage angeboten. Bundesfreiwilligendienstler Leonard Raupach stellte mit anschaulichen Worten und Bildern den Projekttag "Glockenklang und Menschenmassen" vor.

Pina, Anouk und Finn von der Marienschule in Potsdam berichteten, was ihnen die Teilnahme an dem Projekttag gebracht hat. Vor allem die Fotorallye, bei der die Schülerinnen und Schüler anhand historischer Fotos das Geschehen von damals im heutigen Stadtbild verorten, hat demnach Eindruck hinterlassen. "Wenn ich jetzt durch die Straßen in der Potsdamer Mitte gehe, habe ich die Ereignisse vor Augen und einen ganz anderen Bezug dazu", sagte Pina.

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Social Media als Mittel der Einflussnahme

Auch im Verlauf der Diskussion stellte sich heraus, wie sehr es Jugendliche fesselt, wenn Geschichte lebendig vermittelt wird und ihre Lehrerinnen und Lehrer Gegenwartsbezüge herstellen. Beim Thema Nationalsozialismus insbesondere zum Erstarken rechtsextremer Bewegungen in der heutigen Zeit und zu Mitteln der Propaganda. "Das Thema Propaganda kommt in der Schule erst in Stufe 12 dran und damit viel zu spät", kritisierte Georg.

Zuvor hatte Finn darüber berichtet, dass er beobachtet habe, wie aktiv die AfD auf Social Media populistische Thesen verbreite. Über die Sozialen Medien gelinge es Parteien besonders gut, Jugendliche zu erreichen - auch Jugendliche, die nicht so viele Informationen hätten und deshalb vielleicht leichtgläubiger seien. "Wir sind da schon privilegiert, dass wir so viel Hintergrundwissen vermittelt bekommen."

Felix Jäger vom Potsdam Museum wünschte sich noch viel mehr außerschulische Lernmöglichkeiten in Potsdam. Die Frage, ob viel Wissen über Nationalsozialismus notwendig sei, beantwortete er mit einem klaren "Ja". Wichtig sei es vor allem auch, Erkenntnisse über den Zeitgeist und gesellschaftliche Umstände zu haben, die dem Nationalsozialismus damals und Rechtsextremismus heute den Boden bereiten können.

Jugendliche wertschätzen die Debatte

Deutlich zeigte sich, dass Jugendliche nicht nur schätzen, Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten. Sie schätzen auch die Debatte an sich. So meinte Anouk zum Wiederaufbau der Garnisonkirche als Ort der Erinnerung und Demokratiebildung: "Ich habe viele Argumente dafür und auch dagegen gehört. Und ich finde, dass ich mich gar nicht für eine Seite entscheiden muss. Es ist schon ein Wert an sich, dass wir in unserer Stadt darüber diskutieren können."

Argumente austauschen, dadurch sein Wissen erweitern: Das sei wichtig, betonte Lehrerin Susanne Dahlitz. Aber auch konträre Meinungen anhören und aushalten. "Wir dürfen bei Diskussionen niemanden ausschließen."

Ein Anfang ist gemacht. Der Diskussion am Mittwoch - Auftakt der Veranstaltungsreihe „Erinnern und Verstehen: Forum für Geschichte und Gegenwart“ - werden im Turm der Garnisonkirche weitere folgen. "Ich fand es toll, wie respektvoll hier alle miteinander umgegangen sind", resümierte Anouk. Aus dem Publikum gab es viele lobende Worte für die jugendlichen Diskussionsteilnehmer. "Ich bin beeindruckt, wie informiert und meinungsstark sie sind und wie gut sie sich ausgedrückt haben", sagte eine junge Frau.

Text: Beatrix Fricke

 

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