POTSDAM / INNENSTADT – Säulenkapitelle, Mauerfragmente, Glocken – Die Garnisonkirche ist präsent an diesem Abend. Etwa 40 Menschen sitzen zwischen den Exponaten der Ausstellung zur Garnisonkirche. Die meisten von ihnen haben noch eigene Erinnerungen an das Gotteshaus, das während des Krieges ausbrannte und 1968 unter der DDR-Führung gesprengt wurde. Jeder der Anwesenden stellt sich kurz vor und erklärt in wenigen Sätzen, welchen Bezug er zur Garnisonkirche hat. Unter den Gästen ist auch Gebhard Falk, der als einer der Wenigen in der damaligen Stadtverordnetenversammlung gegen den Abriss stimmte. Martin Seidel zeigt seinen Acht-Millimeter-Film, der von verschiedenen Standorten in Potsdam die einzelnen Etappen der Sprengung dokumentiert.
Das Zeitzeugengespräch, das anlässlich der Nacht der offenen Kirchen stattfindet, ist zugleich der Auftakt zu einer langfristigen Zeitzeugenrecherche zur Geschichte der Garnisonkirche. „Unsere Hoffnung ist, dass sich auch weiterhin Altpotsdamer melden und uns an ihren Erinnerungen teilhaben lassen“, sagt Simone Löbsin, Studentin der Military Studies in Potsdam.
Zum ersten Mal ist die Nacht der offenen Kirchen in diesem Jahr auch auf das Potsdamer Umland ausgedehnt. Mit dem Fahrrad, dem Bus oder dem Boot pilgern fast 200 Menschen zu den Kirchen rund um den Schwielowsee. „Angesichts des unbeständigen Wetters sind wir mit der Teilnehmerzahl sehr zufrieden“, sagt Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte. Die Konzeption des Abends sei aufgegangen. Neben den Zeitzeugengesprächen gibt es unter anderem Taizé-Gebete in der Friedenskirche, ein Kirchenkabarett in der Geltower Dorfkirche und ein Theaterstück mit Behinderten in der Inselkirche in Hermannswerder, sowie zahlreiche Konzerte. „Wir werden die Idee, das Umland einzubeziehen, weiterverfolgen und im nächsten Jahr wahrscheinlich in den Norden von Potsdam gehen“, sagt Schütte.
Ein stadtweiter Abendsegen vor der Nikolaikirche am alten Markt beschließt die Nacht der offenen Kirchen. Obwohl viele Teilnehmer der Bootstour nicht mehr zur Andacht gekommen sind, haben sich doch über 150 Gläubige vor der angestrahlten Fassade des Gotteshauses versammelt. Schütte bittet alle, näher zu treten, bis sich die Menschenmenge vor den Stufen der Kirche zusammengefunden hat. Jugendliche der Jungen Friedensgemeinde tragen meditative Texte vor. Dazwischen gibt es Gebete und Lieder zum Thema Abend, die zuvor mit den Besuchern einstudiert wurden. Viele singen aus voller Kehle mit, manche summen nur, andere haben die Augen geschlossen und genießen stumm das Gefühl der Gemeinschaft. (Von Stephan Drehmann)