Die Evangelische Kirche lässt die Geschichte der Potsdamer Kirchengemeinden in der Zeit des Nationalsozialismus wissenschaftlich erforschen. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Zeithistorikers Lothar Steinbach gegründet. Der in Potsdam lebende emeritierte Hochschul-Professor „hat sich intensiv mit der Weitergabe und didaktischen Vermittlung erinnerter Geschichte befasst“, teilte Michael Kreutzer von der Evangelischen Kirche Potsdam mit, „und ist daher für diese Arbeit prädestiniert“. Ziel der Forschungen sei eine Veröffentlichung bereits im ersten Quartal 2013 und auf längere Sicht eine Ausstellung zum Thema.
Mit besonderem Interesse dürften in der Öffentlichkeit die Forschungsergebnisse zur Potsdamer Garnisonkirche aufgenommen werden. Altbischoff Wolfgang Huber, Vorsitzender des Kuratoriums der Garnisonkirchen-Stiftung, hatte in einem PNN-Interview kurz vor Weihnachten 2012 erklärt: „Was dort gepredigt wurde, ist wirklich eine spannende Frage, mit der wir uns kritisch auseinandersetzen müssen. Wir sollten das untersuchen.“ Das Forschungsprojekt des Historikers Steinbach soll explizit Zeugnisse aus Privatbesitz wie etwa Nachlässe, Briefe, Tagebücher, Fotos, Flugblätter, Plakate und eventuell Predigtmitschriften miteinbeziehen. Aus diesem Grund seien Kreutzer zufolge „Potsdamer in nah und fern“ aufgerufen, von ihren Erlebnissen aus den Potsdamer Gemeinden aus der Zeit des Dritten Reiches zu berichten bzw. Dokumente leihweise zur Verfügung zu stellen. Vertraulichkeit, Urheber- und Datenschutz werden zugesichert, so Kreutzer. Ansprechpartnerin sei die Pfarrerin an der Garnisonkirche, Juliane Rumpel.
Mit dem Tag der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 seien in der preußischen Landeskirche nicht wenige gläubige evangelische Christen ebenso wie ihre Pfarrer „in den Sog der ,nationalen Erhebung’ geraten“, schreibt Kreutzer in seiner Mitteilung. Die oft gebrauchte Vokabel vom „Kirchenkampf“ suggeriere zwar Widerstand, verweise aber vielmehr auf den inneren Konflikt der evangelischen Kirche „zwischen Kreuz und Hakenkreuz, Anpassung und Distanzierung, ,Deutschen Christen’ und ,Bekennender Kirche’“, so Kreutzer weiter. Was sich in den Jahren von 1933 bis 1945 zwischen dem Staat, der nationalsozialistischen Partei und der evangelischen Kirche abgespielt hat, sei von der Akten- und Quellenlage her relativ gut zugänglich. „Nur teilweise bekannt“ seien Kreutzer zufolge Konflikte innerhalb der Pfarrerschaft und den Gemeindeleitungen um ihre Stellung zum Nationalsozialismus. Kreutzer: „Wir wissen nicht, wie evangelische Gemeinden in Potsdam mit ihren Mitgliedern jüdischer Herkunft umgegangen sind“. (PNN vom 03.01.2013, von gb)
Infos zum Thema per Telefon unter (0331) 20 11 830 oder per E-Mail unter juliane.rumpel@evkirchepotsdam.de