Mitte November wird die Garnisonkirchenstiftung bei der Stadt den Bauantrag für den Kirchturm an der Breiten Straße abgeben – mit dem achteckigen Kapellenentwurf des Architekten Thomas Albrecht. Diese Entscheidung des Kuratoriums der Garnisonkirchenstiftung zugunsten des Albrecht-Entwurfs wird von vielen Mitgliedern der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche (FWG) als Brüskierung und Alleingang wahrgenommen. „Es ist höchst irritierend, dass das Stiftungskuratorium die Alternativvorschläge der Fördergesellschaft bisher nicht offiziell zur Kenntnis genommen hat, obwohl diese schon lang vorliegen – die Stiftung lebt über den Wolken“, kritisiert FWG-Mitglied Jan Fiebelkorn-Drasen: „Vielleicht nimmt man nicht wirklich ernst, was sich in der FWG tut.“
Die Kritik am Kapellenentwurf des namhaften Architekturbüros Hilmer, Sattler & Albrecht hatte sich am achteckigen lichtdurchfluteten Raum entzündet: zu modern; zu wenig der früheren dunklen Anmutung entsprechend; zu sehr Stilbruch mit der Tradition des Garnisonkirche, zu sehr südländische „Ravenna-Architektur“ im preußischen Norden – so lauteten zu Jahresanfang die Einwände am heiß diskutierten Entwurf Albrechts. Den hatte die Stiftung, die Bauherrin ist, zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits abgesegnet. Schon damals fühlte sich die FWG massiv übergangen und pochte auf ein Mitspracherecht. Daraufhin durfte die Fördergesellschaft im Frühjahr ihre Alternativvorschläge präsentieren. Ein Experten-Beirat, der mit Mitgliedern aus Stiftung und FWG besetzt war, befürwortete dann die Variante des Potsdamer Architekten Christopher Kühn mit kreuzförmigem Grundriss. Doch erst im November wird das Stiftungskuratorium Kühns Vorschlag diskutieren – also erst nach Abgabe des Bauantrags. Die Eile beim Bauantrag sei geboten, so Stiftungsvorstand Martin Vogel: „Weil unser Zeitplan für den Baustart 2013 sonst durcheinander gerät.“
FWG-Vorsitzender Burkhart Franck musste am Mittwochabend bei einem – emotional erregten – Offenen Abend seinen Mitgliedern die bittere Pille verabreichen. Und außerdem gleichzeitig erklären, warum er im Kuratorium trotzdem für den Bauantrag mit dem Albrecht-Entwurf gestimmt hat. „Die Stiftung hat uns zugesichert, dass dieser Bauantrag keine Präjudizierung, keine Vorfestlegung, bedeutet. So lange der Bau der Kapelle nicht begonnen wurde, kann die Architektur jederzeit geändert werden“, erklärte Franck. Sollte Albrechts Kapellen-Entwurf tatsächlich realisiert werden, wäre das ein Rücktrittsgrund: „Dann wäre meine Mission als Vorsitzender gescheitert“, sagte der Vorsitzende der Fördergesellschaft im MAZ-Gespräch. Andere Mitglieder drohen mit Austritt. Architekt Thomas Albrecht kommentiert die Debatte gelassen mit einem plakativen Vergleich: „Wenn 80 Millionen Bundesbürger einen Reichstag bauen, gibt es 80 Millionen Bauherren – aber einen, der es am Ende festlegt.“ Trotz des Strebens nach Konsens gebe es immer „einige, die nicht einverstanden sind. Das ist so in einer Demokratie“. (MAZ vom 19.10.2012, Von Ildiko Röd)