06/23/2009 | GARNISONKIRCHE: Schönherrs Brief an Ulbricht Nach dem Abrissbeschluss von 1968 gab es mehr als 200 Eingaben

POTSDAM / INNENSTADT – Dem Sprengversuch vom 19. Juni 1968 hatte der Barockturm widerstanden. Vier Tage später vollendeten Experten des Autobahnbaukombinats Magdeburg den Abriss der Garnisonkirche. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hatte bis zuletzt dagegen gekämpft. Eine Woche nach dem Beschluss der Stadtverordneten zur Sprengung – je zwei der CDU und der Liberaldemokraten hatten am 26.

POTSDAM / INNENSTADT - Dem Sprengversuch vom 19. Juni 1968 hatte der Barockturm widerstanden. Vier Tage später vollendeten Experten des Autobahnbaukombinats Magdeburg den Abriss der Garnisonkirche. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hatte bis zuletzt dagegen gekämpft. Eine Woche nach dem Beschluss der Stadtverordneten zur Sprengung – je zwei der CDU und der Liberaldemokraten hatten am 26. April mit Nein gestimmt – schrieb der damalige Generalsuperintendent Albrecht Schönherr an den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht, weil „die formalen rechtlichen Möglichkeiten erschöpft zu sein scheinen“. Die Stiftung Garnisonkirche Potsdam machte das Schreiben jetzt öffentlich.

Schönherr äußerte darin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die kurz zuvor erfolgte „Inanspruchnahme des Grundstücks durch die Staatsorgane“. Vier Wochen zuvor war die Konstitution per Volksabstimmung gültig geworden. Nach Artikel 16 könne eine Enteignung nur stattfinden, „wenn auf andere Weise der angestrebte gemeinnützige Zweck nicht erreicht werden kann“, schrieb der spätere Bischof. Er verwies auf vergebliche Versuche der Kirche, mit den „staatlichen Organen“ ins Gespräch zu kommen. Zuletzt hatte der Kreiskirchenrat ein Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung beantragt. Vergeblich: Per Geschäftsordnungsantrag beschloss man, nur Mandatsträger sprechen zu lassen.

In dieser Schicksalssitzung wurde der Abriss nicht politisch begründet. Offiziell sollten die Reste des Sakralbaus dem Bau eine Heizungstrasse, dem Ausbau der Wilhelm-Külz-Straße (heute Breite Straße) zur Magistrale und für die Errichtung des Rechenzentrums weichen. Martin Sabrow vom Zentrum für Zeithistorische Forschung geht so weit zu behaupten, nicht Preußenhass, sondern diese praktischen Erwägungen hätten Ulbrichts Entscheidung ausgelöst. Der Turm habe lange „als Mahnmal gegen Faschismus und Krieg gegolten“. Schönherr schrieb von Plänen für eine „Sühnestätte“. Schon während des Krieges habe sich in der Kirche eine bekennende Gemeinde im Widerstand gegen den Faschismus gesammelt.

Manfred Stolpe, der 1968 Oberkonsistorialrat war, erinnert sich, dass die Kirche sogar Baukapazitäten und Geld vom Staat bekommen hatte. „Bei Firmen und bis zur Oberbürgermeisterin gab es in der Stadt Bereitschaft zum Wiederaufbau.“ Man habe den 70 Meter hohen Turmkranz sichern wollen. Dann entschied das SED-Politbüro anders. Schönherrs Warnung vor einer „übereilten Beseitigung eines bedeutenden Baudenkmals“ und sein Hinweis auf die Bedeutung des Turmes für die Silhouette der Stadt gingen ins Leere. Die Eingabe gegen den Abrissplan hatte so wenig Erfolg wie die mehr als 200 anderen, die man seit 1989 fand. (Von Volkmar Klein)

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