10/25/2016 | Flüchtling spricht in der Nagelkreuzkapelle über seine Situation

Im Rahmen der Veranstaltung "Der EU-Türkei-Deal - wo bleiben die Menschen(rechte)?", die Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst gemeinsam mit dem Flüchtlingspfarrer des Kirchenkreises Potsdam, Bernhard Fricke, in der Nagelkreuzkapelle veranstaltet hat, sprach in der letzten Woche Fadi Sujaa über seine Situation.

Im Rahmen der Veranstaltung "Der EU-Türkei-Deal - wo bleiben die Menschen(rechte)?", die Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst gemeinsam mit dem Flüchtlingspfarrer des Kirchenkreises Potsdam in der Nagelkreuzkapelle veranstaltet hat, sprach in der letzten Woche Fadi Sujaa über seine Situation.

Der Flüchtling aus Syrien sagte Folgendes über seine Situation:

"Mein Name ist Fadi Sujaa, ich bin Syrer von syrischen Eltern (so viel ich weiß). Ich bin 32 Jahre alt.Ich bin heute Abend hier, um über meine Situation in Deutschland zu sprechen. Ich beginne damit, dass ich sagen möchte:

Viele Menschen haben ihre Heimat verloren, ich bin einer von ihnen. Ich verlor zweimal eine Heimat: In Libyen und in Syrien.

Viele Menschen starben schon, als sie versuchten, das Meer zu überqueren. Ich lebte mein Leben. Aber was bedeutete das? Wir müssen wissen, dass das Leben mehr ist als es nur auszuhalten. Das Leben ist Freiheit, Sicherheit und Zukunft.

Ich bin nicht von der Türkei nach Griechenland gegangen. Ich beschloss nach Libyen zu gehen. Dort war Krieg. So hatte ich nur zwei Möglichkeiten: Im Meer zu sterben oder im Krieg in Libyen. Ich riskierte die Reise. Ich entschied mich für die Überfahrt. 3 Tage und 3 Übernachtungen verbrachte ich im Untergeschoss des Bootes - kein Essen, kein Wasser und keine frische Luft zum Atmen. Es war schrecklich.

Was dann kam, dafür hatte ich mich nicht entschieden: Ich wurde von der maltesischen Polizei festgenommen. Die verdächtigte mich und andere Männer erst als illegale Migranten. Dann vernahmen sie uns als Zeugen. Wir verbrachten 1 Monat und 2 Wochen im Gefängnis. Die einzige Chance, das Gefängnis zu verlassen war, Asyl zu beantragen. Das wurde in Malta abgelehnt. Später erhielt ich dann nur den subsidiären Schutz. Ich wusste nicht, dass die Anerkennung von Asyl abgelehnt wurde, denn sie gaben viele Papiere und die Erklärung, dass die Papiere Sicherheit geben. Sicherheit ohne Freiheit und Zukunft. Als ich das verstand, beschloss ich, Malta zu verlassen auf der Suche nach besseren Chancen. Das würde jeder in dieser Welt machen. Ich kam nach Deutschland mit dem großen Traum akzeptiert zu werden, eine Zukunft aufzubauen, eine Familie zu gründen. Leider habe ich jetzt ein Jahr und eine halbes Jahr gewartet, bis ich eine negative Antwort auf meinen Antrag bekam. Mein Status jetzt ist eine Duldung.

Langsam bin ich davon überzeugt, dass es in Deutschland für mich keine Notwendigkeit gibt, aktiv zu sein oder die Wahrheit zu sagen. Es gibt keine Notwendigkeit zu denken und zu planen. Mein Bruder ist auch hier. Wir sind in einer schlechten Situation. Ein Jahr habe ich schon verloren. Ich hätte besser Deutsch lernen können. Ich hätte meinen Master machen können. Oder ich hätte mich zumindest sicher fühlen können mit einem Flüchtlingsstatus.

Ich möchte betonen: Es ist nicht mein Traum ein Flüchtling zu sein. Es ist mein Traum, Mitglied der Gesellschaft und der Gemeinschaft zu sein.

Geben Sie mir die Chance, heute eine Nachricht zu senden an die Mitarbeiter in den Behörden: Auf welcher Basis geben Sie Asyl? Ist auf Grund der Menschenrechte? Oder der Staatsangehörigkeit? Oder etwa auf der Basis von politischen Vereinbarungen? Und was bedeutet humanitäre Hilfe für die Menschen in Afghanistan, der Türkei und in Afrika?

Es ist sicher nicht die Rückschiebung nach Malta, wo bereits mehr als 100 000 Migranten leben im Vergleich mit der Bevölkerung von 450 Tausend. Dort gibt es keine Chancen, für niemanden. Im Gegenteil: Viele reisen aus. Wer Glück hat kann sogar in die USA ausreisen. Aber Deutschland schickt Menschen dorthin zurück.Warum kann Deutschland nicht 2 Millionen Migranten akzeptieren im Vergleich zu einer Bevölkerung von 85 Millionen?

Das sind meine Fragen.

Es ist sehr schwer für jemanden, der das Gefühl hat, dass er ist nicht akzeptiert wird, weil er eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. Es ist schwer für jemanden, dem die Rückschiebung nach Italien oder Malta angedroht wird. Es ist schwer für jemanden, der die Wahrheit sagt und sieht, wie viel weiter man kommt wenn man lügt. Schutz zu finden ist ein Menschenrecht. Und es ist auch ein Menschenrecht, einen Ort zum Leben zu finden und sich eine Zukunft aufbauen zu können. Sicherheit ohne Freiheit ist kein Leben. Freiheit ohne Zukunft ist kein Leben.

Ich habe einen Verein gegründet: Mosaikstein. Gemeinsam – Flüchtlinge und Deutsche – müssen wir die Menschenrechte achten und ein gemeinsames Leben in Deutschland aufbauen.

Danke."

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