Witzige Kommentare und unterhaltsame Bücher habe ich sehr gern, und Schorlemmer ist durchaus Meister im Verfassen beider. Wer sich öffentlich zu bestimmten Themen äußert, sollte jedoch trotzdem bei der Wahrheit bleiben und belegen können, was er äußert. Schorlemmer wird in dem PNN-Beitrag zitiert: »Bischof Dibelius habe an jenem verhängnisvollen 21. März 1933 im Talar – und somit nicht als ›Staatsbürger‹, sondern als geistlicher Würdenträger […] gemeinsam mit Hitler und Hindenburg in der Kirche gesessen«. Diese Darstellung ist eine längst widerlegte Erfindung der SED, verbreitet in der 1960 erschienenen Schmähschrift »Hier spricht Dibelius«. Der Angegriffene war am »Tag von Potsdam« weder Bischof noch wohnte er im Talar dem Staatakt in der Garnisonkirche bei. Zwar nahmen Militärgeistliche im Talar teil, nicht jedoch Otto Dibelius, der kurz zuvor den Gottesdienst der evangelischen Abgeordneten in der Nikolaikirche gehalten hatte. Bereits im Oktober 1933 wegen politischer Missliebigkeit seines Amtes enthoben, trat er der „Bekennenden Kirche“ bei! Der Potsdamer Magistratsrat Friedrich Bestehorn (NSDAP), der sich selbst brüstete, die Garnisonkirche für den Staatsakt vorgeschlagen zu haben, schrieb 1937: »Am folgenden Tage kam es bei einer ersten Ortsbesichtigung in der Kirche zu peinlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Schreiber dieser Zeilen und Vertretern des Oberkirchenrats, geführt vom damaligen Generalsuperintendenten der Kurmark, Dr. Dibelius, die aus religiösen Gründen glaubten Widerstand leisten zu müssen und sich auf den Standpunkt stellten, daß die Kirche über aller politischen Ordnung stehe und völlig unabhängig sei, sowohl im faschistischen Staat wie auch im kommunistischen. Niemals würde die oberste Kirchenbehörde zulassen, daß ein Reichstag das Gotteshaus zu einer Versammlung benutzen dürfe.« (nachzulesen in den Mitteilungen für die Geschichte Potsdams, 1937, S. 221). Wie wir wissen, ist es anders gekommen – weil die Garnisonkirche dem Staat und nicht der Landeskirche gehörte. Zum Bischof von Berlin-Brandenburg gewählt wurde Dibelius erst nach dem Krieg. Als solcher hat er im Oktober 1945 gemeinsam mit Theophil Wurm und Martin Niemöller das ›Stuttgarter Schuldbekenntnis‹ verfasst: »Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Länder und Völker gebracht worden … Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben…«. Vielleicht sollte sich der Theologe Schorlemmer an das achte Gebot erinnern: »Du sollst nicht falsch Zeugnis reden«!
Andreas Kitschke