In der Nagelkreuzkapelle entwickeln sich literarische Lesungen zu einer gern besuchten “Spezies“. Und das liegt auch an den Vorlesenden. Klaus Büstrin hatte den Roman von Armin Müller „Der Puppenkönig und ich“ ausgesucht: Vergangenheit von Deutschen und Polen, Schuld und Sühne angesichts von Nationalsozialismus und Krieg, Befreiung und Wandlung. Die Aussiedlung der Deutschen aus den Ostgebieten galt in der DDR als Tabu-Thema für die Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auch die Tatsache, dass das nunmehr polnische Schlesien ein Stück Heimat für viele Ostdeutsche gewesen war. Im Roman begegnen sich zwei Männer in einem Sperrgebiet, der eine aus einem Lager, der andere aus Gefangenschaft: Ein „Niemiec und ein Polak“. Der Pole Staschek, ein Deserteur aus der Armee Parandowski, verwundet durch eine Kinderbande, der Deutsche auf der Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft. In jenen Tagen nähern sich beide aneinander an: Staschek nennt den Deutschen seinen Bruder. „Wir hatten längst die Grenzen zwischen uns abgeschafft“, beschreibt der Autor die soldatische Versöhnung. Und dann kommen beide ins schlesische Eulengebirge, ins Dorf des Großvaters. Es lüftete sich für die Zuhörer das Geheimnis, wer der Puppenkönig ist, der Großvater des 16-Jährigen Deutschen. Mit ihm hatte er seine Kindheit verbracht. Doch die jungen Männer finden ihn tot vor. Selbstmord - wohl aus Verzweiflung über die Vertreibung. Die beiden legen ihn in ein Grab mit dampfend nasser Erde, neben seine Frau und stecken Zweige auf die Todesstätte.
„Vielen Dank“ sagt Büstrin ins Publikum. Radeke-Engst und er haben gezeigt, wie berührend man nicht selbst geschriebene Texte darbringen kann. „Ein Gefühl wie Frieden war auf einmal da“, hatte es zuvor im Text treffend gelautet.
Zur Stimmung trug die Querflötistin Birgitta Winkler bei. Denn bei jeder Musik ist immer ein Stück Hoffnung.
Der Lesung war ein Friedensgebet mit Jutta Erb-Rogg vorausgegangen.
Text: Roger Töpelmann