Nicht viele Menschen erreichen in ihrem Leben so viel wie Werner Otto. Der gebürtige Brandenburger gründete den Otto-Versandhandel und weitere erfolgreiche Unternehmen und wurde vom “Manager Magazin” 2004 auf Platz sieben der reichsten Deutschen geführt. Stets lässt er aber andere an seinem Erfolg teilhaben.
Werner Otto spendete Millionen Euro für karitative und kulturelle Projekte – und vollendet am 13. August sein 100. Lebensjahr. Am Dienstag wird dem Self-made-Milliardär, der in Seelow geboren wurde und in Prenzlau in der Uckermark aufwuchs, im Roten Rathaus vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit die Ehrenbürgerwürde verliehen. Er ist damit der älteste lebende Ehrenbürger der Hauptstadt.
Trotz seines Erfolgs und Reichtums liegt Werner Otto immer am Herzen, andere Menschen teilhaben zu lassen. „Menschen sind mir wichtiger als Bilanzen“, sagte der Unternehmer einmal. Und er lebt dieses Credo auch. Zu seinem 60. Geburtstag 1969 rief er die Werner-Otto-Stiftung zur Förderung der medizinischen Forschung ins Leben, die sich vor allem um die Behandlung von Kindern mit Behinderungen kümmert. Seither engagiert sich Otto für die Kleinsten und Schwächsten, 1973 spendete er in Hamburg rund 3,5 Millionen D-Mark für den Bau eines Spezialinstituts zur Früherkennung und Behandlung mehrfach behinderter Kinder. „Einer muss ja was tun“, sagte er mal in einem Interview. In Berlin und Brandenburg beläuft sich die Summe seiner Spenden bis heute auf mehr als zehn Millionen Euro, von seiner Großzügigkeit profitierten etliche Einrichtungen.
Zum Beispiel das nach seinem Stifter benannte Werner-Otto-Haus in Neukölln. Im Juni 2000 finanzierte Otto, selbst fünffacher Vater, zu einem großen Teil die Einrichtung des „Cochlear Implant Centrums Berlin-Brandenburg“ für hörgeschädigte Kinder. In dem Haus an der Paster-Behrens-Straße lernen taube und hörgeschädigte Kinder und Jugendliche nach einer komplizierten Operation des Innenohrs wieder sprechen. „Wir sind Herrn Otto immer noch sehr verbunden“, sagt der Ärztliche Leiter der Einrichtung, Dr. Gottfried Aust. Der HNO-Arzt erinnert sich, dass Werner Otto 2006, als der Senat die Beratungsstelle schließen wollte, persönlich einen Brief an den Regierenden Bürgermeister schrieb, um für den Fortbestand der Einrichtung zu werben.
4,5 Millionen Euro für Konzerthaus
Ohne Ottos Hilfe gäbe es das Haus wohl nicht. „Wir können sein Lebenswerk nur sehr loben“, sagt Gottfried Aust, der Werner Otto als „ruhigen, zurückhaltenden Menschen“ kennengelernt hat, „der seinen Reichtum nie in der Vordergrund gestellt“ habe. „Jemand, der weiß, was er will, aber dessen Herz dabei für den Menschen schlägt, für humanitäre Zwecke.“ Vor etwa zwei Jahren habe er Otto zuletzt getroffen. „Er sagte mir, falls einmal etwas sein sollte, sollen wir uns bei ihm melden, er würde immer gern behilflich sein.“
Auch Berlins Kulturschaffende erhielten immer wieder finanzielle Hilfe von der Familie Otto. 2002 spendete Werner Otto 4,5 Millionen Euro für den Umbau des Orchesterprobesaals des Konzerthauses am Gendarmenmarkt. 1999 hatte er dort seinen 90. Geburtstag gefeiert und gesehen, dass der Schinkelbau sanierungsbedürftig wirkte. Mit Ottos Spende konnte der Architekt Peter Kulka den knapp 340 Quadratmeter großen Raum neu gestalten. Das Haus spiele eine wichtige Rolle für die kulturelle Vielfalt Berlins, begründete Werner Otto damals sein Engagement. Im Konzerthaus ist man sich der Bedeutung seiner Finanzspritze bewusst: „Durch die wirklich großzügige Spende seines Namenspatrons konnte ein früher eher bescheidener Orchesterprobensaal zu einer multifunktionalen und akustisch optimierten ‚Black Box’ umgebaut werden“, sagt Sebastian Nordmann, ab September Intendant des Konzerthauses. „Die Möglichkeiten, die der mit Hubpodien ausgestattete Raum für szenische Aufführungen, Filme, Kammermusik, Empfänge, Pressekonferenzen und vieles mehr bietet, wären ohne die generöse Zuwendung Werner Ottos nicht einmal im Ansatz realisierbar gewesen.“ Ottos Einsatz für das kulturelle Leben der Hauptstadt entspreche „in vorbildlicher Weise der Forderung nach mehr bürgerschaftlichem Engagement“. Mehr noch: „Für die Zukunft sind wir auf kunstsinnige Lichtgestalten wie Werner Otto – im Kleinen wie im Großen – angewiesen. Ich persönlich wünsche ihm und seiner Familie noch viele erfüllende Kunsterlebnisse rund um den Gendarmenmarkt.“ Seit dem 96. Geburtstag Werner Ottos im Jahr 2005 haben er und seine Frau Maren auch zwei Patenstühle in der ersten Reihe des Saales.
Geburtstage als Anlässe für Spenden
Seine eigenen Geburtstage sind offenbar häufig Anlass oder Auslöser gewesen, für ein bestimmtes Projekt Geld zu spenden. An seinem 89. zum Beispiel besuchte Werner Otto den Potsdamer Pfingstberg und besichtigte dort das einsturzgefährdete Belvedere. Die Vorstandsvorsitzende des Fördervereins Pfingstberg in Potsdam, Eva Riks, erinnert sich bis heute: „Herr Otto war auf das Dach des Pomonatempels zum Kaffee im kleinen Kreise eingeladen – damals die einzige Möglichkeit, ein wenig Fernsicht vom Pfingstberg zu genießen. Das Belvedere, fast 40 Jahre dem Verfall preisgegeben, war in seiner morbiden Schönheit nicht mehr zugänglich. Werner Otto genoss den herrlichen Tag, die unverkennbar schöne Umgebung und ließ sich die Situation des Belvederes erklären. In seiner unnachahmlichen Art und Tatkraft beschenkte er die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit der Zusage, dass er die Restaurierung des Westturms am Belvedere finanzieren werde.“ Im November 2000 habe Otto dann den fast fertigen Westturm besichtigt und dabei weiteres Geld für den Ostturm sowie die noch fehlenden Kolonnaden und Arkaden zugesagt. Insgesamt spendete der Unternehmer fast 6,5 Millionen Euro. „Die Bedeutung dieser Art von Großzügigkeit könnte kaum größer sein“, sagt Eva Riks. Erst die Spenden hätten den Start in die vollständige Restaurierung ermöglicht.
„Körper und Geist trainieren“
Altbundeskanzler Helmut Schmidt sagte über Werner Otto einmal: „Der Mann kann einfach nicht still sitzen.“ Er hatte Recht. Werner Otto sucht sich regelmäßig neue Projekte – ob als Gründer und Unternehmer oder als Mäzen und Stifter. „Man muss Körper und Geist trainieren. Wenn man das nicht tut, keine neuen Aufgaben vor sich hat, dann verliert man“, so seine Begründung.
Ein ebenfalls besonderes Geschenk machte Otto vor einigen Jahren seiner Geburtsstadt Seelow: Mit rund 1,5 Millionen D-Mark ermöglichte er die Instandsetzung des dortigen Kirchturms. Irgendwie war das wohl auch ein Geschenk an die eigene Vergangenheit. In der Seelower Kirche wurde er einst getauft. Im Jahr 2000 spendete er für ein weiteres Kirchengebäude in seiner Heimat Brandenburg: Umgerechnet 1,5 Millionen Euro sagte Otto für den Wiederaufbau des Turmes der Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam zu.
Ich hatte einfach das Glück, Erfolg zu haben. Dabei fühlte ich mich aber immer verantwortlich für die Gemeinschaft. Und deshalb habe ich geholfen, wo es mir sinnvoll schien und wenn es mir möglich war.
Bei einem Luftangriff im April 1945 hatte die Kirche Feuer gefangen und brannte aus. 1968 wurde die Kirchengemeinde vom DDR-Regime enteignet und das Gebäude gesprengt. Schirmherren des Wiederaufbaus und Mitglieder des Kuratoriums der 2008 gegründeten Stiftung Garnisonkirche Potsdam sind unter anderen Bischof Wolfgang Huber, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und dessen Innenminister Jörg Schönbohm. Die Kirche soll zu einem Zentrum des Friedens und der Versöhnung werden. „Wir empfinden große Dankbarkeit, dass sich Herr Otto neben allem anderen Engagement auch für die Garnisonkirche einsetzt“, sagt der Vorsitzende der Fördergesellschaft, Johann-Peter Bauer, Kapitän zur See a. D. und Ministerialdirigent a.D. Möglicherweise sei Werner Otto auch ideell von der Idee des Wiederaufbaus überzeugt – „das würde uns sehr freuen“. „Dass er und seine Frau sich sowohl sozial engagieren, als auch ‚in Steine’ investieren, macht ihn so sympathisch“, sagt Johann-Peter Bauer.
Der Unternehmergeist, den Werner Otto verkörpert, ist mittlerweile rar. Er selbst sagte einmal: „Nicht nur an Umsatzzahlen und Produktionsziffern wird der moderne Unternehmer gemessen, sondern immer auch daran, was er aus sozialer Verantwortung bereit ist, für die Gesellschaft zu tun.“ Er selbst war stets bereit, vieles zu tun und viel zu geben. Für dieses Engagement wurde Werner Otto in der Vergangenheit mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, der Ernst-Reuter-Plakette, dem Landesorden Brandenburg und dem James-Simon-Preis. Am Dienstag erhält der dann gerade noch 99 Jahre alte Werner Otto nun die Ehrenbürgerwürde in Berlin – die seiner Heimatstadt Seelow wurde ihm bereits vor 15 Jahren verliehen. Zu seinem Geburtstag am 13. August, der im privaten Kreis gefeiert werden soll, werden ihm wohl nicht nur prominente Würdenträger, hochrangige Politiker und Weggefährten gratulieren – in ganz Deutschland werden Menschen an ihn denken und dem Jubilar alles Gute wünschen. (Von Anne Klesse)